Die SAPV, verankert in §37b SGB V, stellt ein essentielles Element in der Betreuung von Patienten mit infauster Prognose dar. Sie zielt darauf ab, eine hochqualitative palliative Versorgung in der häuslichen Umgebung oder in stationären Pflegeeinrichtungen zu gewährleisten.
Indikation und Leistungsspektrum
Die SAPV ist indiziert bei Patienten mit:
– Nicht kurablen, progredienten Erkrankungen
– Limitierter Lebenserwartung
– Komplexem Symptommanagement-Bedarf
Das Leistungsspektrum umfasst:
1. Ärztliche und pflegerische Versorgung
2. Koordination palliativmedizinischer, -pflegerischer und psychosozialer Interventionen
3. Bereitstellung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln
4. Sicherstellung eines 24/7 Rufdienstes
5. Vorsehen einer Notfallmedikation
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Die Implementierung erfolgt durch ein multidisziplinäres Team in Kooperation mit dem primär betreuenden Haus- oder Facharzt. Diese Synergie ermöglicht eine ganzheitliche, patientenzentrierte Versorgung.
Therapeutische Schwerpunkte
Symptomkontrolle:
– Pharmakologische Interventionen
– Nicht-pharmakologische Maßnahmen
– Bei Bedarf: Einsatz von Medikamentenpumpen, Durchführung von Aszites- und Pleurapunktionen
Krisenintervention:
Etablierung einer 24/7-Rufbereitschaft zur Gewährleistung einer kontinuierlichen Versorgung zur Krisenintervention
Versorgungsmodelle
Die SAPV bietet ein flexibles, bedarfsorientiertes Versorgungskonzept:
1. Beratung und Koordination
2. Additiv unterstützende Teilversorgung
Diese Abstufung ermöglicht eine optimale Ressourcenallokation und Ergänzung der bestehenden ambulanten Palliativversorgung.
Die SAPV stellt somit ein hochspezialisiertes Versorgungsmodell dar, das die Lebensqualität von Patienten in der Terminalphase signifikant verbessern und eine adäquate ambulante Betreuung bis zum Lebensende ermöglichen kann.
Verordnung
Die SAPV-Verordnung erfolgt über das Formular Muster 63:
Erstverordnung: wenn es noch keine SAPV beim Patienten gab. – Sonst: Folgeverordnung
Verordnungsdauer (von / bis)
Verordnung von reiner Beratungsleistung: 7 Tage
Erstverordnung von Teilversorgung (durch Hausarzt, niedergelassener Facharzt): 28 Tage möglich
Folgeverordnung : für 3 Monate möglich
Abrechnungsziffer: für Erstverordnung 01425 für Folgeverordnung 01426
Vorteile für Hausärzte
Hausärzte und Fachärzte profitieren ebenfalls von der SAPV. Sie bleiben weiterhin wichtige Ansprechpartner für ihre Patienten und können bei Bedarf auf die spezialisierte Unterstützung der SAPV-Teams zurückgreifen. Eine Umfrage unter Hausärzten in Niedersachsen zeigte, dass die Mehrheit der Ärzte die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit SAPV-Teams begrüßt und sich vorstellen kann, gemeinsam Patienten zu versorgen. Nur eine Minderheit der Hausärzte gibt die Versorgung von Palliativpatienten vollständig ab. Diese Kooperation ermöglicht es Hausärzten, ihre Patienten kontinuierlich zu begleiten und ihnen eine umfassende Versorgung zu bieten. Insgesamt stellt die SAPV eine wertvolle Ergänzung zur allgemeinen ambulanten Palliativversorgung dar und trägt wesentlich dazu bei, die Lebensqualität schwerstkranker Menschen zu verbessern und ihnen ein würdevolles Leben bis zum Tod zu ermöglichen. : [DEGAM und DGP]
Identifikation von Palliativpatienten:
Die Identifizierung und Klassifizierung von Palliativpatienten ist entscheidend in Anbetracht des wachsenden Bedarfs an Palliativversorgung für diverse Patientenpopulationen. In diesem Kontext hat das ID-PALL-Tool an Bedeutung gewonnen, da es als validiertes und benutzerfreundliches Instrument konzipiert wurde, um zwischen allgemeinen und spezifischen Palliativpflegebedürfnissen zu differenzieren. Diese Differenzierung ermöglicht es, zeitnahe und angemessene Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, was besonders in stationären Einrichtungen von Bedeutung ist. ID-PALL unterstützt medizinisches Fachpersonal dabei, Patienten zu identifizieren, die von einer Palliativversorgung profitieren könnten, und trägt somit zur Verbesserung der Behandlungsergebnisse und Lebensqualität bei. Das ID-PALL-Tool ist das erste Screening-Instrument, das speziell für die Unterscheidung von allgemeinen und speziellen Bedürfnissen bei stationären erwachsenen Patienten in verschiedenen Pflegeumgebungen entwickelt wurde. Es hat sich in Abteilungen für Innere Medizin als effektiv erwiesen und ist bekannt für seine einfache Handhabung sowie seine Fähigkeit, den Dialog zwischen medizinischem Fachpersonal über die Bedürfnisse der Palliativversorgung zu fördern. Eine Studie in einem Schweizer Tertiärspital ergab, dass 60% der untersuchten Patienten eine allgemeine Palliativversorgung und 26,7% eine spezifische Behandlung benötigten, was die Relevanz des Tools unterstreicht. Trotz der positiven Aspekte von ID-PALL wurden Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der interprofessionellen Zusammenarbeit und der Integration von Palliativmedizinern, festgestellt. Automatische Überweisungen an Spezialisten wurden als mögliche Lösung vorgeschlagen, um die Effizienz der Versorgung zu verbessern. Darüber hinaus wurden Empfehlungen für die klinische Praxis formuliert, um Fachleuten bei der Identifizierung und der anschließenden Behandlungsplanung Orientierung zu bieten. Während ID-PALL ein wichtiges Instrument zur Erkennung des Bedarfs an Palliativmedizin darstellt, spielen auch andere Prognoseinstrumente wie die Palliative Performance Scale und die CARING-Kriterien eine wesentliche Rolle bei der Identifizierung von Risikopatienten, insbesondere bei älteren Erwachsenen. Diese Instrumente sind trotz ihrer Einschränkungen unerlässlich, um eine patientenzentrierte Versorgung in verschiedenen klinischen Kontexten sicherzustellen.
References
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